Wie wird unser Gehirn konditioniert?


Die Konditionierung der Angst

„Wir befinden uns in einem riesigen Experiment zur Angstkonditionierung“ –
ist der Titel eines spannenden Artikels, geschrieben von Dana Smith, der
leitenden Autorin von „Elemental“ und einer ehemaligen amerikanischen
Gehirnforscherin.  Unser Gehirn ist konditioniert auf Angst (und arbeitet,
um uns am Leben zu halten)

 

Warum lässt unser Gehirn uns so denken, fühlen und handeln, wie wir es tun?

 

Unser Gehirn macht gerade Überstunden, um uns in Sicherheit zu bringen. Es hat
sich auf eine völlig neue Realität eingestellt und in relativ kurzer Zeit
gelernt, dass das, was einst harmlos war, nun gefährlich ist. Bei vielen
Menschen sind diese neuen Angstassoziationen so stark, dass sie sogar ausgelöst
werden können, wenn die Bedrohung nicht unmittelbar bevorsteht. Hat sich Dein
Magen während einer Konzertszene in einem Film verkrampft? Oder hat der Anblick
von Bildern des Anschlages beim Ariana Grande Konzertes Dich zurückschrecken
lassen?

Das ist die erlernte Angstreaktion Deines Gehirns in Aktion.

Die Angst vor Menschenmengen ist nicht angeboren – die meisten von uns hatten
diese Reaktion auf große Gruppen von Menschen nicht vor diesen aktuellen
Ereignissen. Wie konnten wir also diese neue Angst so schnell entwickeln?
In den letzten Monaten haben einige Länder an einem riesigen “Experiment
zur Angstkonditionierung”
 teilgenommen. Wir haben gelernt, dass
Menschenmengen ein hohes Risiko darstellen, sich mit Covid-19 anzustecken, also
gehen wir nicht mehr an Orte mit Menschenmengen (die meisten von uns
jedenfalls). Nicht nur das, wir haben sogar eine physiologische Angstreaktion
entwickelt (schwitzende Handflächen, verkrampfter Magen, flache Atmung), die
durch diesen neuen konditionierten Stimulus ausgelöst wird. Pawlow wäre so
stolz.

Von Angstkonditionierung spricht man, wenn wir lernen, dass ein zuvor neutraler
Reiz (eine Menschenmenge) eine gefährliche oder unangenehme Situation (eine
tödliche Krankheit) vorhersagt. Schließlich beginnt der neutrale Reiz, die
Furchtreaktion von selbst auszulösen, auch wenn das gefürchtete Ergebnis nicht
möglich ist, z. B. wenn wir eine Menschenmenge im Fernsehen sehen. Wir können
uns nicht mit Covid-19 aus einem 1989 gedrehten Film anstecken, aber die
Assoziation ist so stark, dass das Gehirn trotzdem eine Angstreaktion auslöst,
z.B. durch die Silvesterparty-Szenen in „When Harry met Sally“.

Das klassische Experiment zur Angstkonditionierung besteht darin, Mäusen direkt
nach dem Abspielen eines Geräusches einen kurzen Elektroschock zu geben.
Anfangs erstarren die Mäuse als Reaktion auf den Schock (ihre natürliche
Reaktion), aber schon bald beginnen sie, als Reaktion auf das Geräusch zu
erstarren, noch bevor sie einen Schock bekommen haben. Die Mäuse haben gelernt,
dass das Geräusch den Schock vorhersagt, und ihre Angstreaktion setzt früh ein.
In der letzten Phase des Experiments erstarren die Mäuse weiterhin als Reaktion
auf das Geräusch, auch wenn kein Schock kommt. Die Angstkonditionierung ist
abgeschlossen.

 

Die Angstkonditionierung ist eine der am tiefsten verwurzelten Formen des
Lernens, weil sie uns hilft, potenziell gefährliche Situationen zu vermeiden –
und damit zu überleben. Sie sitzt an der Schnittstelle von Emotion und
Gedächtnis und wird im Gehirn von der Amygdala und dem Hippocampus gesteuert,
die an der Verarbeitung von Angst bzw. Erinnerungen beteiligt sind. Die beiden
Hirnregionen arbeiten zusammen, um neue Situationen zu lernen, zu
kontextualisieren und sich an sie zu erinnern, die potenziell gefährlich sind
und eine Angstreaktion rechtfertigen.

 

Wenn wir den zuvor neutralen Reiz (eine Menschenmenge oder ein Geräusch) oft
genug erleben, ohne dass das beängstigende Ereignis (Covid-19 oder ein
elektrischer Schlag) folgt, beginnt die konditionierte Angstreaktion
abzufallen. Wir werden aufhören, auf die Situation zu reagieren, als ob
sie gefährlich wäre, und die Verbindung in unserem Gehirn wird schwächer. Das
bedeutet, dass wir irgendwann, wenn die Gefahr vorüber ist, in der Lage
sein werden, in ein Konzert zu gehen und keine Panikattacke zu bekommen. Aber
das wird wahrscheinlich noch eine Weile dauern.

 

Wenn Du nicht warten willst: Unsere eigene Methode „EMT – Eye
movement tracking
 kann diese unterbewussten Abläufe im Gehirn ganz schnell auflösen.